KRONEN ZEITUNG 
Sonntag, 20. August 1989
Junge Familien entkamen mit ihren Kindern über die ungarische Grenze nach Österreich
Mehr als 500 DDR-Bürgern entkamen Samstag nachmittag gemeinsam über die ungarische Grenze nach Österreich. Die Massenflucht war möglich geworden, da wegen eines Treffens der Pan-Europa-Bewegung ein normalerweise gesperrter Übergang an der alten Ödenburger Staße bei St. Margarethen im Burgenland geöffnet wurde.
(Von
Peter Grotter) Die Veranstaltung wurde von der Pan-Europa-Bewegung
mit dem ungarischen demokratischen Forum durchgeführt und hatte das
"symbolische Durchschneiden des Eisernen Vorhanges" zum Motto.
Ort der Fridenesdemonstration war eine Wiese zwei Kilometer nördlich
von Sopron. Samstag mittag trafen die österreichischen Teilnehmer
an der Veranstaltung in St. Margarethen ein. Um ihnen den 20 Kilometer
weiten Umweg über den offiziellen Grenzübergang Klingenbach zu
ersparen, hatten die österreichischen und ungarischen Behörden
kurzfristig beschlossen, von 15 bis 18 Uhr ein Tor an der alten Ödenburger
Straße, der direkten Verbindung zwischen St. Margarethen und Sopron,
zu öffnen. Von der Veranstaltung hatten aber auch DDR-Bürger
erfahren, die in einem Zeltlager in Sopron auf eine Möglichkeit zur
Flucht warteten. Der Malteser Orden hatte die Leute, vorwiegend junge Familien,
darüber informiert, daß nun die Gelegenheit günstig wäre.
Viele
der DDR-Bürger ließen ihre Wagen einige Kilometer vom Grenzzaun
entfernt stehen und kämpften sich dann durch das hohe Gras weiter
durch. Um 15 Uhr, als das Tor an der Ödenburger Straße geöffnet
werden sollte, kamen Männer und Frauen mit ihren Kindern auf dem Arm
felaufen und stießen das noch nicht völlig geöffnete Tor
auf. Die fünf ungarischen Zöllner, die zur Paßkontrolle
eingeteilt waren, konnten die Massenflucht nicht verhindern. Bis in die
Abendstunden riß der Strom der Flüchtlinge nicht ab. Insgesamt
zählten die österreichischen Behörden mehr als 500 Menschen,
die innerhalb von nur drei Stunden entkommen waren. Die Gendarmerie organisierte
eiligst mehrere Busse, mit denen die Flüchtlinge noch in den Abendstunden
des Samstags zur Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Wien-Landstraße
gefahren wurden. Die Leute sollen nach kurzem Aufenthalt in der Bundeshauptstadt
in das Auffanglager Gießen bei Frankfurt überstellt werden.
| 
 Copyright © 1997.,
ISE, Sopron  |